Die Steilspirale
Sinnvolles Manöver oder eher eine Spielerei?
Bereits in der Schulung wird man mit diversen Abstiegshilfen (Ohren anlegen, B-Stall) vertraut gemacht und übt diese „einfachen“ Manöver in Theorie und Praxis. Besonders effektiv sind diese Abstiegshilfen in brenzligen Situationen allerdings nicht, da die Sinkwerte im Bereich von wenigen Metern/ Sekunde liegen. In stärkerer Thermik kann der Effekt auch gleich bei 0 liegen oder trotzdem stetiges Steigen bedeuten. Rückt z.B. eine Kaltfront an, und es geht großflächig mit 2m/s hoch, komme ich mit Ohren anlegen nicht sonderlich weit. Ein B-Stall bringt hier schon etwas mehr sinken, ist aber kräftezehrend und nicht sonderlich angenehm zu fliegen, da der Gleitschirm wie ein lummeliger Sack mit wenig Fahrt gen Erde sinkt. Bei einer Flucht vor Unwettern, die man eigentlich frühzeitig erkennen sollte, bringen beide Abstiegshilfen nicht den gewünschten Effekt – möglichst schnell und sicher den Boden zu erreichen!
Was bleibt da noch übrig? Die Steilspirale. Mit durchschnittlichen Sinkwerten von 12m/sek ganz bestimmt der schnellste Weg zurück auf die Erde. Aber…. die Steilspirale zu fliegen ist nicht jedermanns Sache. In den schnellen Kreisen, mit Kräften bis zu 3G (3-faches Körpergewicht), verliert man schnell mal die Orientierung, manchen wird es schlecht oder man bekommt einen Tunnelblick, da Augen und Gehirn durch Sauerstoffunterversorgung in ihrer Funktion stark eingeschränkt werden können. Das klingt jetzt erst einmal ziemlich haarsträubend – muss aber angesprochen und beachtet werden.
Wie finde ich heraus, ob ich ein geeigneter Steilspiraler bin oder nicht? Früher wurde das Manöver teilweise noch in der A-Schein-Ausbildung gelernt. Heute bin ich auf mich selbst gestellt oder besuche einen SIKU (Sicherheitskurs), in dem ich unter Anleitung via Funk über Wasser meine Turnereien üben kann. Ich möchte nun meine eigene Erfahrung und Einschätzung zu diesem Thema wiedergeben.
Ich habe mir die Steilspirale selbst beigebracht, indem ich die Theorie, die mir ein Flugschullehrer an die Hand gab, selbst in die Tat umgesetzt habe. Vorweg sei gesagt, dass die Steilspirale kein sonderlich schwieriges oder gefährliches Flugmanöver ist! Durch den hohen Druck auf die Kappe ist der Gleitschirm sehr stabil und kann somit weder klappen noch sonstige ungewollte Richtungen einschlagen. Ganz anders wie beim Wingovern, wo es ordentlich einklappen und verhängen kann. Einzig bei der Ausleitung der Spirale kann es rumpeln, wenn sich der Schirm zu schnell aufstellt. In dem Fall wird die überschüssige Energie in eine starke Steig-/Nickbewegung umgesetzt, die ich dann gleich abfangen sollte. Umgehen kann man diesen Effekt, indem man die Energie nach Ausleitung in einen schönen engen Kreis umsetzt.
Die Gefahr einer sog. stabilen Steilspirale darf es bei 1er und lowlevel 1-2er Schirmen nicht geben. Stabile Spirale bedeutet, dass sich der Gleitschirm OHNE zutun des Piloten nicht mehr selbst aus der Spirale „befreit“. In der Regel stellen sich gutmütige Flügel nach loslassen der Bremsen von selbst wieder auf und gehen in den Normalflug über. Höher klassifizierte Schirme dagegen müssen ggf. aktiv ausgeleitet werden (durch anbremsen der äußeren + inneren Bremse).
Nun zur Theorie – Anleitung in die Steilspirale:
- einleiten der Spirale durch starke Gewichtsverlagerung und tiefes, dosiertes ziehen der kurveninneren Bremse (bis Karabiner und weiter). In welche Drehrichtung ist Geschmacksache. In der Regel präferiert man die selbe Richtung, wie beim Ausdrehen eines Rückwärtsstarts.
- eintauchen in die Spirale dosieren durch mehr oder weniger starkes Ziehen an der Innenbremse
- sobald die Kappe nach vorne kippt und die G-Kräfte markant zunehmen, verlagere ich mein Gewicht wieder zurück in die Mitte und dosiere mit der Aussenbremse die Sinkgeschwindigkeit. Die Innenbremse bleibt dabei in der selben Position fixiert!
- ausgeleitet wird mittels Nachziehen der Außenbremse und Körpergewicht wieder nach Innen legen. Die Innenbremse bleibt dabei stets fixiert. Nach der Ausleistung sind quasi beide Bremsen gezogen!
- bevor sich die Kappe wieder aufrichten möchte, ziehe ich wohl dosiert die kurveninnere Bremse noch einmal nach, um ein abruptes Aufstellen der Kappe und somit Nachpendeln (nicken) zu vermeiden. Ich setze damit die überschüssige Energie in eine schöne, enge Kurve um – Übungssache!
Die Praxis: Ich habe mich sehr langsam an die Spirale heran getastet. In gut 15 Flügen, mit ausreichend Höhe (mind. 500m über Grund) bin ich immer engere Kurven geflogen. Bis zu dem Punkt, an dem die G-Kräfte zunehmen. Dann habe ich die Kurve wieder ausgeleitet. Wichtig: ich habe diese Übungen immer nur dann durchgeführt, wenn ich mich zu 100% wohlgefühlt habe! Es gibt gute und schlechte Tage. Wenn man sich nicht sicher ist, lässt man es einfach bleiben. Hierbei hört man am besten auf seine innere Stimme. Vor allem ist es wichtig, bewusst zu sein – das Manöver vorher im Geiste ablaufen lassen und erst im Anschluss durchzuführen. Ich habe mich innerhalb von zwei Monaten immer weiter an die Steilspirale herangetastet. Stück für Stück, immer wieder ausgeleitet, als ich das Gefühl hatte „jetzt reicht es mir“. Irgendwann ist der Augenblick dann gekommen, an dem ich die Grenze überschritten habe und in die Spirale eingetaucht bin. Die Kappe kippt nach vorne weg und man wirbelt unter gutem Druck im Kreis herum 🙂 Ein geiles Gefühl, keine Frage! Die ersten Spiralen habe ich nach 2-3 Kreisen wieder ausgeleitet und gut war’s für diesen Tag! Nach und nach lernt man die richtige Dosierung der Bremsen und vor allem eine ordentliche, harmonische Ausleitung.
Übung macht den Meister – und das ist das Stichwort für den Titel meines Berichts.
Die Steilspirale ist nur dann eine sinnvolle Abstiegshilfe, wenn ich diese regelmäßig übe und ohne Ängste routiniert beherrsche! Wenn ich sowieso schon unter Stress stehe, da ich einen „Fehler“ begangen habe (in Wolke geflogen, Kaltfront, Gewitter im Anmarsch, zu starke Thermik, …), werde ich ganz sicher kein Manöver fliegen, das mich noch zusätzlich unter Druck setzt! Dann passieren häufig Fehler und ich habe unter Umständen wirklich ein Problem. Mir ging es bereits so, dass ich in einem 4m Bart bei viel Wind in eine Wolke geflogen bin. Es wackelte ordentlich, die Sicht wurde schlechter…. ich wäre in der Situation nie auf die Idee gekommen, eine Steilspirale einzuleiten, da ich diese einfach noch nicht routiniert geflogen bin. Daher half mir nur das Anlegen der Ohren (Big ears) und volles Beschleunigen. So kam ich an den Rand der Wolke und raus aus dem Steigen.
Bis heute fliege (übe) ich die Steilspirale immer dann, wenn mir die Höhe nicht zu schade ist – leider ist mir die Höhe meist heilig. Außer an Tagen an denen ich mehrere Stunden in der Luft verbracht habe. Der Winter ist die beste Zeit für Techniktraining. Ruhige Luft und keine (kaum) Thermik – also nur wenig zu verpassen 😉 Ich kann jedem Empfehlen, sich mit der Steilspirale auseinander zu setzen. Ob sie einem liegt, oder nicht, weiß man erst dann, wenn man sie geflogen ist – das macht man am besten im Rahmen eines SIKU oder tastet sich selbst vorsichtig heran, wenn man der Auffassung ist, Talent zu haben. Und dann heißt es üben, üben… Ich komme langsam an den Punkt, wo ich sagen kann, dass mir dieses Manöver auch als Abstiegshilfe dient. Bisher sah ich es eher als Spielerei und Nervenkitzel an – was selbstverständlich völlig legitim ist.
Guter „Bericht“!
Als Anfänger habe ich mich auch schon gefragt, wie ich an das Thema herangehen soll…
Dieser Bericht ist grob fahrlässig! Bei der Ausleitung innen nachziehen kann bei einigen Schirmen zu ungewollten Flugzuständen führen … Hört nicht auf so einen Schmarn und trainiert die Sache vernünftig in einem Siku! Nichts für ungut …
Der DHV hat das ganz schön verfasst, mit der Ausleitung. In meinem Bericht steht nichts anderes. Nichts desto trotz – ich kenne natürlich nicht jeden Gleitschirm mit seinen „Eigenheiten“. Daher Gebrauchsanweisung lesen. Wobei es mir ein Rätsel ist, warum ein Gleitschirm in einer engen Kurve ungewollte Flugzustände aufweisen soll…
Ausleitung (DHV)
Probleme bei der Ausleitung liegen vor allem im zu schnellen Freigeben der Bremsen und nachfolgendem starken Aufschaukeln des Schirmes bis zum Einklappen. Auch eine moderate Spirale wird immer langsam ausgeleitet. Die Sinkgeschwindigkeit wird durch sehr langsames Freigeben der Innenbremse über mindestens 2 Umdrehungen reduziert. Zeigt der Schirm dann eine deutliche Tendenz zum Aufrichten, wird die kurveninnere Bremse noch einmal dosiert nachgezogen und die restliche Energie in einem letzten Kreis abgebaut. Damit ist eine weitgehend pendelfreie Ausleitung gewährleistet. Bei sehr raschem Freigeben der Innenbremse, »schießt« der Schirm, bedingt durch die Überfahrt, aus der Spirale, stellt sich stark auf, und nickt anschließend mit einem gewaltigen Pendler nach vorne. Diesen Pendler gilt es, in der Vorwärtsbewegung, durch deutliches beidseitiges Anbremsen zu dämpfen. Sonst kann der Schirm großflächig einklappen.
Mit Punkt 3) bin ich ehrlich gesagt auch nicht ganz einverstanden.
Das dosieren mache ich immer über die äußere Bremse. Nachlassen mehr Gas, mehr Bremsen Drehbewegung lässt nach.
ich denke da hat jeder seine eigene Technik. Die Kontrolle kann (sollte) üder beide Bremsen erfolgen. Mir hat bisher die innere Bremse genügt – kommt sicher auch auf den Schirm drauf an.
Servus zusammen,
schöner Blog. Für die unerfahrenen Leser aber bitte beachten: Fliegen lernt man bei einem Trainer, nicht im Internet. Und bei fast allen mir bekannten Sicherheitstrainings lernt man (nach meiner Meinung zurecht), daß die Steilspirale in vielen Fällen als Notabstiegshilfe ungeeignet ist. Wer schon mal über längere Zeit eine gescheite Spirale über längere Zeit in turbulenten Bedingungen geflogen ist, wird das überwiegend bestätigen.
Bei ruhigen Bedingungen für drei Runden mit 25 m/s gen Boden stürzen, ist ein lustiger Abschluss eines schönen Fluges. Aber die Realität in einer Notsituation sieht eben gehörig anders aus.
Der B-Stall ist leider nicht mehr mit allen Schirmen so schön zu fliegen wie früher. Aber meistens lässt er sich recht einfach halten, wenn der Eingangswiderstand überwunden ist. Und dann kann man das Ganze minutenlang halten, ohne eine nennenswerte Vorwärtsfahrt zu haben. Die Sinkwerte unterscheiden sich von Schirm zu Schirm und Tiefe des Ziehens. Manche Icaro-Schirme vertragen auch den C-Stall, da habe ich persönlich schon über 10 m/s erreicht. Das ganze bei noch weniger Zugkraft und völlig ohne erhöhte g-Belastung.
Ohren kann man auch mit mehr als einer Leine pro Seite anlegen (sofern man mindestens drei A-Leinen pro Seite hat). Da bleiben dann je nach Schirm nur noch zwischen 2 und 10 Zellen offen. Mit vollem Beschleuniger und ein wenig Geschaukel kommt man so auch auf über 10 m/s und, in vielen Fällen noch wichtiger, auf eine nennenswerte Vorwärtsgeschwindigkeit weg vom Gefahrenherd (Aufwind).
Das geht dann auch noch schöner: WingOver mit sehr großen Ohren, Spirale mit sehr großen Ohren (weniger g, noch mehr Sinken). Aber das lernt man alles, wie gesagt, nicht im Internet, sondern in einem Sicherheitstraining. Also einfach mal Arsch hoch, Rechner aus und raus in die Natur!
Viel Spaß und immer schöne Flüge
Für die unerfahrenen Leser aber bitte beachten: Fliegen lernt man bei einem Trainer, nicht im Internet. 😉